Wirtschaftsregion

Mit der Region, für die Region

07.02.2023
Autor: Friedrich Schmidt

Seit Januar 2022 ist Prof. Dr. Verena Pietzner Präsidentin der Uni Vechta. Die Profilschwerpunkte der Universität – Lehrkräftebildung, Soziale Dienstleistungen, Agrar und Ernährung sowie Kulturwissenschaften und deren Querschnittsthemen Digitalisierung, Internationalisierung, Nachhaltigkeit sowie Gender und Diversity – hat sie fest im Blick. Außerdem ist für die Präsidentin die engmaschige Verzahnung von Forschung, Lehre und Wissenstransfer sowie die Öffnung der Hochschule ein zentrales Anliegen. Ihrer Meinung nach können auf diesem Weg Hochschule, Region sowie ansässige Wirtschaft und Institutionen weiterhin voneinander profitieren.

Auf dem Festakt zur Amtseinführung im Juli 2022: Prof. Dr. Verena Pietzner spricht zu den Gästen.

„Die Universität Vechta hat in den vergangenen Jahren zusammen mit allen Unterstützenden unglaublich viel geleistet“, sagt die 49-Jährige. So habe die Hochschule enorm wichtige Schritte in ihrer Entwicklung vollziehen können. „An diese Erfolge knüpfen wir nun zusammen an und entwickeln diese gut aufgestellte Institution gemeinsam weiter.“

Transformationen in agrarischen Intensivgebieten: Wandel gestalten

Die Universität Vechta habe mit ihrer Lage im agrarischen Intensivgebiet Oldenburger Münsterland besondere Forschungsmöglichkeiten, sagt Prof. Dr. Verena Pietzner. „Transformation ist schon jetzt das thematische Dach, unter dem wir die vier Schwerpunkte miteinander verbinden“, führt die Präsidentin aus. Es gelte jetzt, dieses Dach zu verstärken, das Gebälk gründlich zu untersuchen und, wo nötig, Querstreben einzuziehen. Das gesamte Haus solle in diesem Sinne strategisch ausgerichtet werden.

„Was uns und so viele Menschen überall auf der Welt beschäftigt, stellt ein wichtiges, ein zukunftsweisendes Forschungsfeld dar“. Für dessen Untersuchung und Erschließung gebe es in Deutschland nur wenig Standorte, die bessere Voraussetzungen mitbrächten als die Universität Vechta. „Das, was von außen mitunter als Standortschwäche wahrgenommen wird, dass wir eben nicht in einer der Metropolen liegen, darin liegt in Wahrheit unsere besondere Stärke. Nicht von ungefähr haben wir vier entsprechende Stiftungsprofessuren gemeinsam mit der Region auf den Weg gebracht,“ sagt Pietzner. Die Stiftungsprofessuren werden von der Oldenburgischen IHK, dem Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland (AEF), den Landkreisen Cloppenburg und Vechta sowie den Genossenschaften im Nordwesten Niedersachsens für einen Zeitraum von sechs Jahren finanziert. Die Stiftenden bilden gemeinsam mit den Professuren ein Forschungscluster, das sich gut vernetzt – unter anderem über den Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar).


Als weiteres Beispiel könne das Verbundprojekt 4N „Nordwest Niedersachsen Nachhaltig Neu“ genannt werden, welches vom Land Niedersachsen mit sechs Millionen Euro gefördert wird: Dabei nehmen Wissenschaftler*innen in unterschiedlichen Teilprojekten strukturelle Herausforderungen im Nordwesten Niedersachsens in den Blick. Geforscht werde dabei auf Augenhöhe. Erst aus dem Dialog mit der Gesellschaft könnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die, für die Menschen wichtigen Fragestellungen identifizieren und daran forschen. Somit entstünden Erkenntnisse, welche die Region und auch die Wirtschaft
vor Ort wirklich betreffen.

International aufgestellt mit einer starken Verbindung zum Oldenburger Münsterland: Die Uni hat eine lange und wechselvolle Geschichte, die bis 1830 zurückreicht.

Moderne Studiengänge in Vechta für die Fachkräfte von morgen.

„All dies fließt wiederum in die Lehre und damit können wir moderne Studiengänge anbieten“, erklärt die Universitätspräsidentin. Letztgenannte seien das „Aushängeschild“, um die Universität attraktiv für Studierende zu machen. „Und gut ausgebildete Studierenden sind wiederum die Fachkräfte von morgen, welche zukünftige Probleme lösen können. Wenn es uns darüber hinaus gelingt, diese in der Region zu halten, wäre dies ein Gewinn für das gesamte Oldenburger Münsterland!“. So fokussiert Prof. Dr. Verena Pietzner unter anderem die Qualifikation von Lehrkräften. Dabei biete die Universität Vechta eine Besonderheit: Gerade, weil sich hier die Lehramtsqualifikation um Grundschule sowie Haupt- und Realschule drehen würde, können die Studieninhalte besser auf die Zielgruppe abgestimmt werden. „Es ist dabei eminent wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind, in welches Anschluss-System wir unsere Studierenden begleiten und welche Verantwortung sie dort tragen.“

Unter anderem Björn Thümler, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, und Tobias Gerdesmeyer, Landrat Vechta, feierten die Amtseinführung von Universitätspräsidentin Prof. Dr. Verena Pietzner.

Das öffentliche Bildungswesen sei „die Grundlage schlechthin für den Fortschritt und den gesellschaftlichen Wohlstand in unserem Land“. Um diese Verantwortung tragen zu können, bedarf es eines inneren Kompasses, der gewährleistet, „dass Studierenden im zukünftigen Beruf die ihnen übertragene, enorme Verantwortung meistern können, dass sie fachlich am Ball bleiben, dass sie sich fort- oder auch weiterbilden, dass sie sich kritisch in ihrem Tun reflektieren und aktiv den Austausch mit anderen suchen.“

Um dies zu schaffen sei es von großer Bedeutung, mit der Berufswelt, in welche die Absolvent*innen gehen werden, in Kontakt zu treten und zu bleiben. Das werde in Vechta vielfältig betrieben, unter anderem durch die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte, die außerschulischen Lernorte der Uni oder die Veranstaltungen des Medienkompetenzzentrums. „Das alles sollten wir intensivieren“. Der Austausch ermögliche es, „dass wir unsere Studiengänge an neue Entwicklungen und Erkenntnisse anpassen können – natürlich immer auf einer wissenschaftlichen Grundlage, nicht einem schnelllebigen Trend folgend“. Das betreffe nicht nur die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer. „Es betrifft genauso Absolventinnen und Absolventen der Sozialen Arbeit, der Gerontologie, der Kulturwissenschaften und aller anderen Fachrichtungen.“

Gute Zusammenarbeit mit der Region Oldenburger Münsterland: Prof. Dr. Verena Pietzner mit Johann Wimberg (l.), Landrat Cloppenburg und Tobias Gerdesmeyer, Landrat Vechta.

Lebenslanges Lernen

Eine hohe Anforderung an Bildung verlange besondere Angebote. „Wir müssen die Möglichkeit schaffen, dass Menschen bei uns auch lebenslanges Lernen umsetzen können.“ Dazu gehöre unter anderem auch die Öffnung von Modulen für Gasthörende und schließlich die Schaffung von Weiterbildungsangeboten im Sinne von Zertifikatsprogrammen. „Wir könnten Menschen wieder an die Uni holen, die sich neben dem Beruf weiterbilden und entsprechende Zertifikate erwerben möchten; als langfristiges Ziel könnten daraus auch berufsbegleitende Studiengänge entstehen.“

Prof. Dr. Pietzner denkt dabei an ein regional abgestimmtes Weiterbildungsportfolio, bei dem verschiedene Angebote in Zusammenarbeit mit regionalen Partnern geschickt miteinander koordiniert und verzahnt werden. Erste Ideen gibt es bereits für eine Weiterbildung im Bereich Soziales; die Planungen dafür haben bereits begonnen. Einen weiteren wichtigen Öffnungsschritt sieht die neue Präsidentin in der gemeinsamen Strategie zur Gründungsregion Oldenburger Münsterland. Gemeinsam mit den Landkreisen Vechta und Cloppenburg und der Stadt Vechta könne so ein Netzwerk geschaffen werden – von der Gründungsberatung bis zur Umsetzung der Ideen junger Startups. Auch dies sichere die Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Regionen. „Ich freue mich sehr, dass wir mit dem Team von „TrENDi“ (Transformation durch Entrepreneurship Nachhaltigkeit und Digitalisierung) dabei sind und mit unserer Expertise in der Beratung unterstützen können.“

Bevor sie Präsidentin in Vechta wurde, war Prof. Dr. Pietzner von Anfang 2020 bis Ende 2021 Vizepräsidentin für Studium, Lehre und Internationales an der Carl von Ossietzky- Universität Oldenburg.

Hochschule in Verantwortung

„Ich habe gelernt, dass Hochschule in Verantwortung in Vechta vor allem bedeutet, die regionale Verwurzelung und die vielfältigen Kooperationen mit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft bewusst zu pflegen“, fasst sie zusammen. Die Uni habe hier in den vergangenen Jahren von den Stiftungsprofessuren bis zum Verbund „trafo:agrar“ deutliche Weiterentwicklungen vollziehen können. „Aber in der Forschung können wir in den Bereichen auch außerhalb des Agrarsektors noch mehr in den Austausch gehen und gemeinsam Projekte auf den Weg bringen.“ Bestehende Strukturen müssten konsequenter genutzt werden. Für die Zukunft wünsche sie sich, dass die Universität Vechta ihre Mission Hochschule in Verantwortung noch überzeugter in allen Bereichen in die Anwendung bringe: in Forschung und Transfer, in Studium und Lehre, aber auch in der Verwaltung, im Diskurs und im Wettstreit der Ideen in den universitären Gremien. „Das ist meine Hoffnung, und das ist meine Vorstellung für unsere Uni“.